EuGH-Gutachterin: Deutschland darf Encrochat-Daten aus Frankreich beziehen

Die Berliner Staatsanwaltschaft war laut einer EuGH-Generalanwältin befugt, Daten aus dem gehackten Kommunikationsdienst Encrochat aus Frankreich abzufragen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 19 Kommentare lesen

Ein von der britischen Polizei sichergestelltes "Encrophone".

(Bild: Metropolitan Police London)

Lesezeit: 2 Min.

Daten von Mobiltelefonen, die über den verschlüsselten Kommunikationsdienst Encrochat ausgetauscht worden sind, dürfen auf dem Weg internationaler Rechtshilfe an deutsche Ermittlungsbehörden übermittelt werden. Zu diesem Schluss ist zumindest die Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof (EuGH), Tamara Ćapeta, in ihren am Donnerstag veröffentlichten Schlussanträgen in einem einschlägigen Berliner Fall rund um die geknackte App gelangt. Das Landgericht Berlin bat den EuGH vor einem Jahr zu prüfen, ob die deutschen Ermittlungsbehörden beim Erlangen von Daten aus dem Hack gegen EU-Vorschriften verstoßen haben und sich ein solcher potenzieller Rechtsbruch auf die Verwertbarkeit der erhaltenen Informationen im Strafverfahren auswirkt.

Die Berliner Richter wollen etwa wissen, ob eine Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen (EEA) zum Erheben von Beweismitteln eine gerichtliche Genehmigung benötigt, wenn dies bei einem nationalen Verfahren in einem Mitgliedsstaat so vorgesehen ist. Ćapeta schreibt nun in ihrem Plädoyer in der Rechtssache C-670/22, dass eine EEA grundsätzlich nur erlassen werden könne, wenn die darin enthaltene Ermittlungsmaßnahme in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall unter denselben Bedingungen anzuordnen wäre. Die behandelte Sache sei genauso zu bewerten wie ein vergleichbarer innerstaatlicher Fall, in dem Beweismittel innerhalb Deutschlands von einem Strafverfahren in ein anderes übermittelt würden.

Die EEA-Richtlinie erlaube es der zuständigen Staatsanwaltschaft grundsätzlich, eine Ermittlungsanordnung zu erlassen, erläutert die Gutachterin. Das deutsche Recht verlange offenbar nicht, dass ein Gericht eine vergleichbare nationale Übermittlung genehmige. Die Berliner Staatsanwaltschaft sei daher befugt gewesen, die einschlägige EEA zu erlassen und die Daten aus Frankreich abzufragen. Das EU-Recht verlange hier keine Richtergenehmigung.

Ćapeta stellt ferner fest, dass die Überwachung des Telekommunikationsverkehrs von französischen Gerichten genehmigt worden sei. Die deutschen Behörden sollten diesem Verfahrensschritt denselben Stellenwert beimessen, den sie ihm bei einer einschlägigen innerstaatlichen richterlichen Prüfung beimessen würden. Dies wäre auch dann der Fall, wenn ein deutsches Gericht in einem konkreten Verfahren anders entscheiden würde. Letztlich richte sich die Zulässigkeit von möglicherweise unter Verstoß gegen EU-Recht erlangten Beweismitteln aber nach nationalem Recht, sofern die EU-Grundrechtecharta gewahrt werde. Die Schlussanträge sind für den EuGH nicht bindend; sie gelten aber oft als Weichenstellung.

In den vergangenen Monaten verhafteten Strafverfolgungsbehörden tausende Menschen in ganz Europa. Kritiker bemängeln, dass dies auf Basis zumindest fragwürdiger Beweise und Verfahren geschehe. Das Bundesverfassungsgericht hat eine entsprechende Verfassungsbeschwerde jüngst aber nicht zur Entscheidung angenommen.

(mho)