Krypto-Messenger: 740 Millionen Euro nach Encrochat-Hack beschlagnahmt

Ermittler haben nach dem Knacken von Encrochat rund 115 Millionen "kriminelle Unterredungen" von gut 60.000 Nutzern analysiert und 6558 Verdächtige verhaftet.

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(Bild: Oleksiy Mark/Shutterstock.com)

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Drei Jahre nach dem Hack des verschlüsselten Kommunikationsdiensts Encrochat hat Europol eine Zwischenbilanz gezogen. Seit der Auflösung des Messenger-Dienstes ist es Ermittlern demnach gelungen, über 115 Millionen "kriminelle Unterredungen" von schätzungsweise über 60.000 Nutzern abzufangen, untereinander auszutauschen und zu analysieren. Dabei hätten sie vor allem "in Herkunfts- und Zielländern" des illegalen Drogenhandels sowie in Geldwäschezentren "Nutzer-Hotspots" ausgemacht. Zudem seien insgesamt fast 900 Millionen Euro an Strafgeldern beschlagnahmt oder eingefroren worden.

Federführend beim Aushebeln von Encrochat waren 2019 zunächst französische und niederländische Polizeibehörden, die aus dem Kommunikationsdienst große Datenmengen absaugten und an Europol übermittelten. Über die Den Haager Drehscheibe gelangten Informationen aus mehreren Millionen Chat-Nachrichten über eine gemeinsame Ermittlungsgruppe an Strafverfolgungsbehörden in anderen EU-Staaten. Auf der Basis kumulierter Zahlen aller beteiligten Behörden sind Europol zufolge mittlerweile 6558 Verdächtige festgenommen worden, darunter 197 "hochrangige Zielpersonen", also dicke Fische im Bereich der organisierten Kriminalität. Gerichte sollen zudem Haftstrafen in Höhe von insgesamt 7134 Jahren verhängt haben.

Die Liste der beschlagnahmten oder festgesetzten Geld- und Sachwerte ist ebenfalls lang: Darauf verzeichnet sind 739,7 Millionen Euro Bargeld, 154,1 Millionen Euro Vermögen oder Bankkonten, 163,4 Tonnen Cannabis, 103,5 Tonnen Kokain, 3,3 Tonnen Heroin. Ferner gingen den Strafverfolgern 972 Fahrzeuge, 271 Grundstücke oder Häuser, 83 Boote und 40 Flugzeuge, 923 Waffen sowie 21.750 Schuss Munition und 68 Sprengstoffe ins Netz.

Das Ende von Encrochat im Jahr 2020 habe bei Gruppen des organisierten Verbrechens in Europa und darüber hinaus "Schockwellen" ausgelöst, schreibt Europol. "Es trug dazu bei, gewalttätige Übergriffe, Mordversuche, Korruption und groß angelegte Drogentransporte zu verhindern sowie groß angelegte Informationen über die organisierte Kriminalität zu beschaffen." Bei der Polizeibehörde sei die spezielle operative Taskforce "Emma" eingerichtet worden, in der Experten auch von EU-Ländern und Drittstaaten die Daten gemeinsam untersucht hätten. Seitdem unterstütze Europol weltweit eingeleitete Ermittlungsableger.

Strafverteidiger aus ganz Europa meldeten Anfang 2022 zusammen mit der Organisation Fair Trials "massive rechtsstaatliche Bedenken und Sorgen" hinsichtlich der Datenerhebung und -verwertung an. Sie monieren: Beteiligte Justiz- und Strafverfolgungsbehörden wie das Bundeskriminalamt (BKA) und Europol missachteten die Rechte der Beschuldigten. Wenig später entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass die bei dem Hack abgeschöpften Daten in Deutschland verwertet werden dürfen, wenn es um die Aufklärung schwerer Straftaten geht. Das Landgericht Berlin sieht trotzdem noch einige Fragen offen, die es dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt hat. Beim Bundesverfassungsgericht ist ebenfalls noch ein Encrochat-Verfahren anhängig.

(olb)