Lauterbach: Mit transatlantischem Datenraum Deutschland an die Spitze bringen

Die Universität Bonn hat "Zentrum für Medizinische Datennutzbarkeit und Translation" eröffnet. Für den Bundesgesundheitsminister ein bedeutsamer Schritt.

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Gesundheitsminister Karl Lauterbach per Video zugeschaltet

Der Gesundheitsminister konnte wegen wichtiger Termine nicht persönlich an der Eröffnung des ZMDT teilnehmen, weil er in Berlin für die Cannabis-Legalisierung gebraucht wurde.

(Bild: heise online)

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Das Zentrum für Medizinische Datennutzbarkeit und Translation (ZMDT) der Universität Bonn gehöre zu den Initiativen, "die wir in dieser Zeit unbedingt benötigen. Das Thema Datennutzung in der Medizin gewinnt enorm an Fahrt und wir werden diesen Weg gemeinsam konsequent gehen", sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in seinem Grußwort zur Eröffnung des ZMDT. Das Zentrum wurde gegründet, um einen interdisziplinären Austausch zwischen Rechtswissenschaften, der Medizin und der Informatik zu ermöglichen. Der thematische Fokus der Forschung soll in Medizindatenzugang und Medizindatennutzung im Gemeinwohlinteresse liegen.

Lauterbach bezeichnete das ZMDT als "Hafen mit großer Bedeutung". Das gesamte Thema sei für die Bundesregierung wichtig. Im Bereich Datenintegrität arbeitet Lauterbach mit Jochen Lennartz von der Harvard Medical School in Boston zusammen. Dazu veröffentlichten sie kürzlich das Paper "How Health Data Integrity Can Earn Trust and Advance Health". In Kooperation mit den Vereinigten Staaten will Lauterbach einen über den europäischen Rahmen hinausgehenden Datenraum entwickeln. Das hatte Susanne Ozegowski, Leiterin der Abteilung für Digitalisierung und Innovations im Gesundheitswesen, in Vertretung für Lauterbach Ende 2023 angekündigt. Dieser soll Deutschland zur Speerspitze machen. "Ich bin ganz sicher, dass wir hier am Vorabend einer Revolution im Gesundheitssystem sind", sagt Lauterbach. In Deutschland sei man dafür gut aufgestellt.

Für diese Zwecke laufen aktuell die Arbeiten an der für Mitte Januar 2025 geplanten elektronischen Patientenakte in der Opt-out-Variante, die "ePA für alle". Diese soll einfach bedienbar und “mehr als ein Ablageort” sein, und mit dem elektronischen Medikationsplan auch Sicherheit für die Arzneimittel-Therapie bieten können. In all den Vorhaben sieht Lauterbach eine Revolution.

Doch auch 2023 sei ein "sehr gutes Jahr für Daten und Digitalisierung" gewesen, resümierte Lauterbach. Endlich habe man "nach sehr langer Vorlaufzeit das E-Rezept ans Netz gebracht. Ein weiterer essenzieller Punkt sei, so Lauterbach, dass die Gematik zu einer staatlichen Digitalagentur umgebaut wird. Dazu seien auch personelle Veränderungen in Arbeit.

Das Digitalgesetz und das GDNG haben dabei schon wichtige Voraussetzungen geschaffen, zwei weitere Gesetze, das Digitalagenturgesetz und das Medizinforschungsgesetz sind in Vorbereitung. Am Referentenentwurf zum Medizinforschungsgesetz hatte die Bundesärztekammer deutliche Kritik geübt: "In der jetzigen Form untergräbt das Gesetz die Unabhängigkeit der Bewertung klinischer Studien und schadet so dem Vertrauen der Menschen in die medizinische Forschung insgesamt", so Ärztekammer-Chef Klaus Reinhardt. Demnach stelle "die unabhängige ethische Bewertung der Forschung am Menschen [...] gerade im Lichte der Erfahrungen aus der NS-Zeit einen wesentlichen Eckpfeiler des Patienten- und Probandenschutzes dar". Er sieht eine Gefahr in der Aufweichung der Deklaration von Helsinki und damit für die gesellschaftliche Akzeptanz der medizinischen Forschung, wie aus einer aktuellen Pressemitteilung hervorgeht, wie aus einer aktuellen Pressemitteilung hervorgeht.

Mit dem "Gesetz zur Schaffung der nationalen Digitalagentur im Gesundheitswesen werden wir auch Regeln zum Beispiel für die Praxisverwaltungssysteme verändern, sodass diese [...] genutzt werden können, um die Daten aus der Praxisdokumentation in die elektronische Patientenakte zu überführen", sagte Lauterbach. Ebenfalls in Planung ist, innerhalb der Digitalagentur ein Kompetenzzentrum für Interoperabilität aufzubauen, wie Susanne Ozegowski, Leiterin der Abteilung für Digitalisierung und Innovation im BMG, bereits auf dem vergangenen Interoperabilitätstag angekündigt hatte.

Es sollen nicht nur Forschung und Versorgung profitieren, sondern auch eine Industrie in den Bereichen Translation, künstliche Intelligenz, Medizin, Pharmaforschung und Co. aufgebaut werden. Inzwischen gebe es mehr Ansiedlungen von Pharmafirmen, die davon ausgehen, dass sich die Voraussetzungen für die Forschung hierzulande verbessern.

In den vergangenen Monaten erhielt Deutschland etwa Investitionen in Milliardenhöhe von Eli Lilly und Roche. Mit weiteren Pharmaunternehmen sei man im Gespräch, sagte Lauterbach in seiner Eröffnungsrede. Man müsse sich überlegen, wie Datenschutz und Datennutzung das Zusammenführen und Auswerten von Behandlungsdaten, Studiendaten und Daten aus 400 Registern ermöglichen, um Künstliche Intelligenz zu entwickeln und zu trainieren.

In der Onkologie helfe KI bereits bei der Identifikation von Lungenkrebs und erkenne auch Melanome mit hoher Genauigkeit. Erst kürzlich haben Forscher der Harvard Universität mit computergestützten Methoden ein Molekül entwickelt, das Hoffnung auf Antibiotikum gegen multiresistente Keime macht, wie Lauterbach auf eine Veröffentlichung im Wissenschaftsmagazin Science aufmerksam macht. An derartigen Entwicklungen wolle man auch teilnehmen.

In Deutschland sei es nach wie vor ein großes Problem, dass der Anteil der Menschen, deren Daten in Studien fließen, verhältnismäßig gering sei. Studienteilnehmer und -leiter finden oft nicht zusammen, so Lauterbach.

Seiner Ansicht nach seien rund 450 Millionen Bürger innerhalb der EU an Studien interessiert, daher arbeite man intensiv an der Formulierung des Europäischen Gesundheitsdatenraums (EHDS). Die notwendige Umsetzung soll nicht nur DSGVO-konform, sondern bereits dem EHDS entsprechend erfolgen. Wichtig sei dabei auch, dass die Daten aussagekräftig, generalisierbar und valide sind. Alle Daten – Abrechnungsdaten, Arzneimitteldaten, Labordaten, Registerdaten, Versorgungsdaten, – müssten den ethischen Standards entsprechend geschehen.

(mack)